Eine lange bestehende Annahme zur IVF überdenken: Können Cetrotide und Ovitrelle ohne Konflikte koexistieren?
Viele Jahre lang glaubten IVF-Spezialisten, die gleichzeitige Verabreichung von Cetrotide (Cetrorelix, ein GnRH-Antagonist) und Ovitrelle (rekombinantes hCG) sei kontraproduktiv und würde möglicherweise die Wirkung des jeweils anderen Medikaments aufheben, da sie in einem IVF-Zyklus offenbar gegensätzliche Effekte haben. Die Logik dahinter war, dass Cetrotide die endogene LH-Freisetzung durch eine GnRH-Blockade der Hypophyse unterdrückt, während hCG LH imitiert, um die endgültige Eizellreifung auszulösen. Die Sorge war, dass die gleichzeitige Verabreichung zu konkurrierenden Wirkungen und suboptimalen Ergebnissen führen könnte.
Mehrere gut durchgeführte klinische Studien haben jedoch gezeigt, dass die gleichzeitige Verabreichung weder die Eizellreifung noch die Befruchtungsraten oder Schwangerschaftsergebnisse beeinträchtigt (Humaidan et al., 2005; Kolibianakis et al., 2004; Hebisha, 2016; Gunderson et al., 2018).
Warum sie nicht in Konflikt geraten: Unterschiedliche Mechanismen, sich ergänzende Aktionen
Die Erklärung hierfür liegt in ihren unterschiedlichen Wirkorten. Cetrotide wirkt auf Hypophysenebene und unterdrückt die GnRH-vermittelte LH- und FSH-Freisetzung (Felberbaum & Diedrich, 1999), während hCG (Ovitrelle) die Hypophyse vollständig umgeht und auf ovarieller Ebene wirkt, indem es direkt an LH/hCG-Rezeptoren auf Granulosa- und Thekazellen bindet. Diese Bindung aktiviert die Kaskade, die die meiotische Wiederaufnahme und die Eizellreifung einleitet (Zeleznik, 2004). Daher sind die Rezeptorstellen, an denen diese beiden Wirkstoffe binden, unterschiedlich und sie zeigen bei gleichzeitiger Verabreichung keine antagonistischen/kompetitiven Effekte.
Da hCG nachgeschaltet zur Hypophyse wirkt, beeinträchtigt Cetrotide dessen Wirkung auf die Eierstöcke nicht. Die Weitergabe des Antagonisten bis zum Tag der hCG-Gabe und sogar darüber hinaus ist wissenschaftlich belegt und wurde in verschiedenen IVF-Protokollen erfolgreich eingesetzt (Kolibianakis et al., 2006; Hebisha, 2016; Gunderson et al., 2018).
Eine retrospektive Studie (Hebisha, 2016) zeigte, dass die Gabe eines GnRH-Antagonisten am hCG-Triggertag in langen Agonistenzyklen effektiv vor OHSS schützt, ohne die Wirksamkeit der Eizellreifung oder die Triggerleistung zu beeinträchtigen. Ebenso stellte ein Artikel in Fertility and Sterility fest, dass die gleichzeitige Gabe eines Antagonisten am hCG-Tag weder die Eizellausbeute noch die Schwangerschaftsrate beeinträchtigte.
Warum dies bei älteren Patienten wichtig ist: Schutz vor vorzeitiger Luteinisierung
Bei Frauen im fortgeschrittenen reproduktiven Alter, insbesondere ab 40 Jahren, ist eine vorzeitige Luteinisierung ein erhebliches Problem. Mit zunehmendem Alter neigen Granulosazellen als Reaktion auf erhöhte LH-Werte häufiger zu einer vorzeitigen Luteinisierung, wodurch der für eine optimale Eizellreifung und -entnahme erforderliche zeitliche Ablauf gestört wird (Al-Azemi et al., 2011). Durch die Verabreichung von Cetrotide rund um den hCG-Auslöser erhalten Ärzte zusätzlichen Schutz: Der Antagonist unterdrückt vorzeitige endogene LH-Anstiege, die eine vorzeitige Luteinisierung auslösen könnten, während hCG über die direkte Aktivität der ovariellen Rezeptoren weiterhin effektiv die Reifung induziert (Humaidan et al., 2005; Hebisha, 2016).
Diese kombinierte Strategie trägt dazu bei, sowohl den Zeitpunkt als auch die Qualität der Eizellreifung zu erhalten, insbesondere bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko einer vorzeitigen Luteinisierung.
Zusammenfassend:
- Alte Annahme widerlegt: Klinische Beweise bestätigen, dass die gleichzeitige Verabreichung von Cetrotide und hCG die IVF-Ergebnisse nicht beeinträchtigt.
- Unterschiedliche Mechanismen, wirksame Synergie: Cetrotide wirkt an der Hypophyse; hCG wirkt am Eierstock, daher keine Interferenz.
- Hohe Relevanz für ältere Patienten: Dieser Ansatz hilft, einer vorzeitigen Luteinisierung vorzubeugen und gleichzeitig die Triggerwirksamkeit aufrechtzuerhalten.
Verweise
Al-Azemi, M., Kyrou, D., Kolibianakis, EM, et al., 2011. Vorzeitige Luteinisierung in GnRH-Antagonistenzyklen: ein Risikofaktor für ein verschlechtertes Ergebnis nach IVF? Human Reproduction, 26(7), S. 1839–1845.
Felberbaum, R. & Diedrich, K., 1999. Gonadotropin-Releasing-Hormon-Antagonisten: eine neue Ära der kontrollierten ovariellen Stimulation. Endocrine Reviews, 20(6), S. 737–751.
Hebisha, SA, 2016. Die Verabreichung eines GnRH-Antagonisten am Tag der hCG-Gabe bei IVF/ICSI mit langem Agonistenprotokoll ist wirksam zum Schutz vor OHSS. Fruchtbarkeit und Sterilität (Retrospektive Studie).
Humaidan, P., Bungum, L., Bungum, M. & Yding Andersen, C., 2005. Ovarielle Reaktion und Schwangerschaftsausgang im Zusammenhang mit LH-Konzentrationen in der Mitte des Follikels bei Frauen, die sich einer assistierten Reproduktion unterziehen. Reproductive Biomedicine Online, 10(5), S. 679–685.
Kolibianakis, EM, Albano, C., Camus, M., et al., 2004. Einleitung eines GnRH-Antagonisten am ersten Tag der Stimulation: Wirkung auf Hormonspiegel und Follikelentwicklung in IVF-Zyklen. Human Reproduction, 19(10), S. 2206–2210.
Kolibianakis, EM, Albano, C., Kahn, J., et al., 2006. Erhöhte Progesteronspiegel in der Follikelphase sind mit einer verringerten Schwangerschaftsrate in IVF-Zyklen mit GnRH-Antagonisten verbunden. Human Reproduction, 21(10), S. 2622–2629.
Zeleznik, AJ, 2004. Die Physiologie der Follikelselektion. Reproduktive Biologie und Endokrinologie, 2(1), S. 31.